Geschichte der Universität
Auf der rechten Seite finden Sie Literaturhinweise zur Geschichte der 1947 von der französischen Besatzungsmacht gegründeten Universität sowie ein Verzeichnis ihrer bisherigen Rektoren.
11. Januar 1947 | Errichtung der Staatlichen Akademie für Verwaltungswissenschaften Speyer durch Verfügung Nr. 194 des Administrateur Général für die französische Besatzungszone (veröffentlicht im Journal Officiel Nr. 52 vom 17.1.1947, S. 583) | |
15. Mai 1947 | Eröffnung der Akademie im Gebäude Johannesstr. 10 in Speyer | |
2. bis 31. Juli 1947 | Beginn der Fortbildung mit der 1. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung | |
1. April 1950 | Errichtung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer durch rheinland-pfälzisches Landesgesetz vom 30.8.1950 (GVBl. S. 265) | |
Wintersemester 50/51 | Aufnahme der ersten Referendare zum Ergänzungsstudium im Rahmen der Einheitsausbildung für Juristen | |
1952 | Mit der letztmaligen Abhaltung der großen Staatsprüfung läuft die Sonderausbildung für den höheren Dienst in Speyer aus. | |
23. April 1952 | Verwaltungsabkommen über die Hochschule für Verwaltungswissenschaften zwischen Rheinland-Pfalz (unterzeichnet am 23.4.1952), der Bundesregierung (19.5.1952) und den Länderregierungen Bayern (17.5.1952), Niedersachsen (12.8.1952) und Schleswig-Holstein (23.9.1952). | |
22. bis 24. März 1956 | 1. Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung | |
4. November 1958 | Beginn des Neubaus der Hochschule an der Freiherr-vom Stein-Str. 2 | |
14. September 1960 | Übergabe des von Sep Ruf im Stil des Bauhaus geplanten Hochschulneubaus | |
2. Oktober 1961 | Verleihung des Habilitationsrechts an die Hochschule | |
1. Januar 1962 | Eröffnung des Instituts für Forschung und Information der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer | |
1. Februar 1965 | Errichtung des Forschungsinstituts der Hochschule durch Erlaß des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz vom 31.1.1965 | |
1969 | Ausbau der Bibliothek mit Verdoppelung der Nutzfläche | |
10. November 1970 | Verleihung des Promotionsrechts an die Hochschule | |
1971/1972 | Start der Eingangs- und Führungsseminare für Beamte des höheren Dienstes | |
9. Juni 1973 | Verabschiedung des Entwicklungsplanes 1974-1979 mit dem Ziel, die Zahl der Hörer auf 400 pro Semester und die der Fortbildungsteilnehmer auf 450 pro Jahr zu erhöhen. | |
1. Oktober 1973 | Start der Sonderseminare | |
1. Januar 1976 | Errichtung des Forschungsinstituts für die öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer als nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen | |
1. Mai 1976 | Einrichtung des einjährigen Aufbaustudiums, das zum akademischen Titel eines Magisters der Verwaltungswissenschaften führt. (Magister rerum publicarum) | |
4. November 1976 | Inbetriebnahme der ersten EDV-Anlage der Hochschule | |
1976-78 | Neubau des Lehrstuhlgebäudes | |
1. September 1978 | Das Landesgesetz über die Hochschule für Verwaltungswissenschaften, angepaßt an das Hochschulrahmengesetz des Bundes von 1976, löst das nur 8 Paragraphen umfassende Gesetz von 1950 ab. | |
1982 | Beginn des Ausländeraufbaustudiums für Dozenten an ausländischen Verwaltungsschulen und Führungsbeamte, die in Fragen der Ausbildung, Fortbildung und Verwaltungsreform involviert sind. | |
1982-84 | Erweiterung des Lehrstuhlgebäudes um Räume für das Forschungsinstitut | |
17. Januar 1991 | Gründung des Führungskollegs bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (FKS) durch Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein | |
1. Januar 1991 | Nach der Wiedervereinigung erfolgte der Beitritt der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt zum Verwaltungsabkommen über die Hochschule, die damit vom Bund und allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland getragen wird. | |
15. September 1995 | Beginn der Errichtung eines gemeinsamen Gästehauses mit Tagungstrakt für die Hochschule, das Staatliche Institut für Lehrerfort und - weiterbildung und das Führungskolleg Speyer | |
1. Oktober 2011 | Start der Masterstudiengänge Administrative Sciences und Öffentliche Wirtschaft | |
1. April 2012 | Start des berufsbegleitenden, kostenpflichtigen Masterstudienganges M.P.A. Wissenschaftsmanagement, der in Kooperation mit dem Zentrum für Wissenschaftsmangement entwickelt wurde. | |
1. Oktober 2014 | Start des Masterstudienganges LL.M. Staat und Verwaltung in Europa | |
1. Oktober 2015 | Umbenennung des Masterstudienganges Administrative Sciences in Public Administration | |
60 Jahre Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Stefan Fisch
Eine der unbekanntesten Hochschulen der Republik, mal als Fachhochschule, mal als Kochschule bezeichnet - das ist die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer am Rhein. Und doch ist sie einzigartig im deutschen Universitätssystem: sie ist die einzige deutsche Hochschule, an der man nur dann (weiter)studieren darf, wenn man bereits ein Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen hat. Dass sie noch nicht „Universität Speyer" heißt, hat mit ihrer jetzt 60 Jahre alten Tradition zu tun.
Am 11. Januar 1947 unterzeichnete in Baden-Baden der zweite Mann der französischen Besatzungszone in Deutschland, der Generalverwalter Émile Laffon, den Arrêté Nr. 194. In durchaus zentralistischer Tradition errichtete er in der Mitte seiner Zone, die von Rolandseck südlich von Bonn bis zum bayerischen Lindau reichte, eine École Supérieure d'Administration. In der amtlichen Übersetzung hieß sie deutlich anders, Höhere Verwaltungsakademie. Damit wurde bereits in der Geburtsstunde der entstehenden Hochschule der Spagat zwischen französischer und deutscher Idee der Universität deutlich. Wie ihre - nur wenige Monate - ältere französische ‚Schwester', die École Nationale d'Administration, sollte sie einerseits eine streng anwendungsorientierte, praxisnahe Spezialhochschule für höhere Verwaltungsbeamte werden. Andererseits sollte sie im Kern ihrer Lehre eine postuniversitär und multidisziplinär verstandene ‚culture générale' pflegen, und zwar gerade nicht durch Berufung von Praktikern, sondern von Universitätsprofessoren. Die Lehre sollte somit von Anfang an eng verbunden sein mit aktueller Forschung. Und bei dem Speyerer Fächerzuschnitt , der damals wie heute Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft, Wirtschafts- und Finanzwissenschaften einschließt, würden die Angehörigen einer kommenden neuen deutschen Verwaltung aus demokratischem Geiste lernen, so die französische Hoffnung, nicht nur in Rechtsnormen, sondern auch in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und historischen Zusammenhängen zu denken.
Diese neue vielseitige Sonderausbildung für die Verwaltung widersprach jedoch zutiefst einer damals legalistisch und damit juristisch geprägten deutschen Verwaltungstradition, noch dazu, weil die Besatzungsmacht vorschrieb, dass Speyer ein Monopol bei der Eröffnung des Wegs in den öffentlichen Dienst haben sollte. Die französische Verwaltung hatte deutlich die Unmöglichkeit gesehen, zwei Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur junge Rechtsreferendare bei unbelasteten erfahrenen Beamten in traditioneller Weise ausbilden zu können. Die unterschwellige Auseinandersetzung zwischen einem juristischen, aber nicht verwaltungsspezifischen Referendariat und einer berufsnahen Spezialausbildung à la française bestimmte auch das weitere Schicksal der Speyerer École/Akademie. Aus der Natur der Sache mussten ihre Gegner aus dem Lager der Landesuniversitäten Freiburg, Tübingen und Mainz kommen, besonders aus deren Juristischen Fakultäten.
Speyer war von Anfang an Chefsache im jungen Lande Rheinland-Pfalz. Geradezu selbstverständlich beanspruchten Ministerpräsident Altmeier und seine Staatskanzlei, für diese länderübergreifende Institution zuständig zu sein, zumal das Land faktisch die Akademie seit 1947 alleine finanziert hatte. Nach dem Ende der Besatzungszeit betrieben sie eine behutsame Neuausrichtung von Speyer, indem sie es als „Hochschule für Verwaltungswissenschaften" 1950 in die Ausbildung der Rechtsreferendare einbauten, ohne dabei den von der französischen Besatzungsmacht geformten multidisziplinären Charakter anzutasten. Ein noch größerer Erfolg des jungen (und armen) Landes war es, andere Länder der Bundesrepublik für eine gemeinsame Trägerschaft der Hochschule zu gewinnen, als erstes Bayern mit seiner sehr selbständigen und selbstbewussten Tradition der Ausbildung höherer Beamter. Sehr bald folgten die meisten Länder, das Saarland sogar schon vor seiner offiziellen Rückkehr zu Deutschland. Berlin trat 1961 als letztes Land dem Verwaltungsabkommen bei, nachdem schon 1953 die ersten Rechtsreferendare in Privatinitiative nach Speyer gekommen waren.
Die Vielfalt der Verwaltungswissenschaften als Forschungsfeld gab der Speyerer Hochschule neuen Aufwind, als schon in den frühen 50er Jahren die Rückkehr der jungen Bundesrepublik Deutschland in die internationale Gemeinschaft einsetzte. Das Bundesinnenministerium betrieb die Beteiligung Deutschlands an der internationalen Verwaltungszusammenarbeit und stellte dabei fest, dass es in vergleichbaren Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Belgien, aber auch Italien und Spanien zentrale verwaltungswissenschaftliche Forschungseinrichtungen gab, nicht aber in Deutschland. In den Diskussionen über den Ort eines solchen deutschen Forschungsinstituts für internationale Verwaltung nahm Speyer von Anfang an einen herausragenden Platz ein. Der sich schnell festigende Ruf der Forschung wurde auch durch die frühe Verleihung des Habilitationsrechts bestätigt. Schließlich wurde 1961 das heute von der Hochschule getrennte „Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung" als Bund-Länder-Institut eingerichtet.
Die Rechtsreferendare hoben in ihren Semesterberichten noch anderes hervor, etwa im Jahre 1955 schon den länderübergreifenden Charakter von Speyer: „Sehr zu schätzen ist die Tatsache, dass Speyer ein Forum der bundesdeutschen Referendare ist." Bis heute ist Speyer die einzige deutsche Universität geblieben, in der nicht nur west- und ostdeutsche Hörer etwa entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung vertreten sind, sondern auch Schleswig-Holsteiner, Saarländer und Bayern. Und so konnte schon damals in Speyer „so manche falsche Vorstellung über wirtschaftliche und politische Strukturen eines anderen Landes korrigiert werden". Der Prozess der europäischen Einigung wurde sehr bald aufgegriffen, frühe Exkursionen zur Montanunion im nahen Luxemburg oder zum Europarat in Straßburg zeigen das ebenso wie der gleichzeitige Aufbau der bis heute bestehenden Partnerschaft mit der ENA in Paris durch den Soziologen Arnold Gehlen.
So wuchsen die Hörerzahlen stetig, und ein Neubau am Stadtrand wurde nötig, der im September 1960 eingeweiht werden konnte. Dieses Speyerer Werk von Sep Ruf zeigt ähnlich wie sein etwas späterer Bonner Kanzlerbungalow für Ludwig Erhard Flachdächer und atriumartige Innenhöfe, eine sparsame Formensprache und ausgewogene Proportionen und nicht zuletzt strenge Schwarz-Weiß-Kontraste. Die Hochschule Speyer hat damals ein Haus gewonnen, das ganz klar in der deutschen Moderne der Weimarer Republik, in der Tradition von Bauhaus und Neuer Sachlichkeit verankert ist. In einer Architekturzeitschrift hieß es zum Speyerer Bau deshalb: „Die wohl gegliederte, sich zur Umwelt und zur Natur öffnende Anlage schafft eine Stimmung der Aufgeschlossenheit und Kontaktbereitschaft, die stets eine Voraussetzung für staatliche Führungsaufgaben sein sollte." Und in der Sache war und ist die Speyerer Lehre, wie einer der inzwischen weit über 25.000 Absolventen reflektierte, durch ihre Vielfalt „geeignet, manchem Kollegen, der ausschließlich vom Imperativ der Paragraphen und des positiven Rechts aus denkt, zu zeigen, dass die Wirklichkeit viel komplexer ist, als sie sich in der Wertung und Darstellung durch die Rechtsordnung zeigt."
Der Autor lehrt Geschichte an der Universität Speyer