Präventionsketten nachhaltig verankern
gefördert von der Auridis-Stiftung
Parlamentarisches Frühstück am 31. Januar 2024 „Kommunale Netzwerke für Kinder – Gelingendes Aufwachsen ermöglichen“
Am 31. Januar 2024 fand unter der Schirmherrschaft von Ulrike Bahr, MdB, im Paul-Löbe-Haus in Berlin ein parlamentarisches Frühstück mit den Abgeordneten des Ausschusses für Familie, Senioren, Jugend und Frauen statt. Prof. Dr. Constanze Janda stellte zusammen mit Christina Wieda die Ergebnisse des Multi-Stakeholder-Prozesses vor. In dessen Rahmen wurden an der DUV mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen, freien Trägern und Wissenschaft die Möglichkeiten einer nachhaltigen Implementation von kommunalen Präventionsketten für gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen erarbeitet. Für die Verantwortlichen in den Kommunen wäre eine Abstimmung von Gesetzesvorhaben und Projektfinanzierungen zwischen den Zuständigkeiten für Erziehung, Kinder- und Jugendarbeit, Bildung, Gesundheit, Integration und Soziales auf Bundesebene hilfreich.
Träger des Multi-Stakeholder Prozesses ist die Auridis Stiftung, die den Aufbau kommunaler Präventionsketten in mehreren Bundesländern unterstützt. Auf Basis von Ergebnissen aus diesen Prozessen wurde den Abgeordneten über einen zweiten Impuls aufgezeigt, wie der Bund über eine Finanzierung von Präventionsketten, vergleichbar zur Unterstützung der Bundesstiftung Frühe Hilfen, zur Nachhaltigkeit beitragen könnte.
3. Workshop zur nachhaltigen Verankerung von kommunalen Präventionsketten gefördert durch die Auridis Stiftung am 11. Oktober 2022 im Innovationslabor in Speyer
Bereits im Sommersemester fanden an der DUV Speyer verschiedene Veranstaltungen im Projekt „Nachhaltige Verankerung von kommunalen Präventionsketten statt“. In einem Multi-Stakeholder-Prozess soll überlegt werden, wie die Ressortstruktur der Verwaltung aufgebrochen werden kann, um Kindern und Jugendlichen Zugang zu allen Leistungen zu ermöglichen, die zu einem gelingenden Aufwachsen beitragen. Die ersten beiden Workshops richteten sich an Länder und Kommunen sowie an die Leistungserbringer. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof.'in Dr. Constanze Janda hat im Oktober 2022 ein weiterer Workshop, diesmal mit Teilnehmenden aus der Wissenschaft, stattgefunden.
Rund zwanzig Teilnehmer:innen verschiedener Disziplinen von Rechtswissenschaft über Sozialwissenschaften, Bildungsforschung und Psychologie bis hin zur Sozialen Arbeit trafen sich um ihre Erfahrungen und Ideen auszutauschen und um über mögliche und nötige Rechtsänderungen zu diskutieren, die zu einer besseren Kooperationsarbeit zwischen Kitas bzw. Schulen, Sozialleistungsträgern und anderen Einrichtungen führen.
Nach der Begrüßung durch Prof. Janda sowie Marc von Krosigk und Markus Büchel von der Auridis Stiftung, die die Workshop-Reihe finanziert, wurde zunächst der verfassungsrechtliche Rahmen für präventive und kooperative Leistungen und die sozialstaatliche Verpflichtung zur Herstellung von Chancengleichheit vorgestellt. Präventionsketten sollen Kindern gleiche Bildungschancen ermöglichen und Benachteiligungen, vor allem infolge von Armut, entgegenwirken. Diese Zusammenhänge machte Christina Wieda, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Univ.-Prof.in Janda, anhand verschiedener statistischer Auswertungen deutlich. Dies betrifft Kinder aus Familien im SGB II-Bezug oder aus einkommensarmen Familien, Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, Mehrkindfamilien und insbesondere Ein-Eltern-Familien. Ressourcenarmut zieht Bildungsarmut nach sich, die sich reproduziert und die Lebenschancen armer Kinder verringert.
Nach diesem Einstieg diskutierten die Teilnehmenden über die Ursachen unzureichender rechtskreisübergreifender und nachhaltiger Präventionsarbeit. Über die Frage, worauf der (rechtspolitische) Fokus gerichtet werden solle - die Haltung der höheren Verwaltungsebene, die Sicherstellung der Finanzierung von Kooperationen oder die Schaffung von Strukturen und Prozessen - gingen die Meinungen auseinander, sicherlich auch bedingt durch die unterschiedlichen disziplinären Zugänge.
Nora Schneck vom Kompetenzzentrum Jugend-Check (KomJC) präsentierte im Anschluss daran die Möglichkeiten und Grenzen der Gesetzesfolgenabschätzung am Beispiel des Jugend-Checks. Sie schilderte die Aufgaben des Kompetenzzentrums und die methodische Vorgehensweise, die sich im Wesentlichen auf die Bewertung der Auswirkungen von Gesetzesvorhaben auf die Zielgruppe der Jugendlichen von 12 bis 27 Jahren im Hinblick auf Familie, Freizeit, Bildung und Arbeit, Gesundheit oder Digitales bezieht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in den Gesetzgebungsprozess ein.
Prof. Georg Cremer, Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes a.D., stellte sodann seine Überlegungen zur Nutzung datenbasierter Ansätze für den Auf- und Ausbau sogenannter Befähigungspartnerschaften vor, mit denen die Kooperation unterschiedlicher Träger und Institutionen zielgenau ausgestaltet werden könnte. Aggregierte Daten lägen vor; ihr Potenzial zum Erkennen, Erforschen und Bewältigen sozialer Problemlagen würde aber viel zu selten genutzt. Das Monitoring könne und dürfe zwar die Einzelfallarbeit nicht ersetzen, könne aber zur Verbesserung von Strukturen und Prozessen beitragen.
In zwei Diskussionsrunden wurden verschiedene Aspekte der rechtskreisübergreifenden Kooperation in den Blick genommen. Die Organisation und Koordinierung von Präventionsketten stelle Kommunen vor ein Dilemma. Sie erfordern hohe Investitionen, die sich erst später – und zuweilen auf der Ebene des Bundes und der Länder auszahlten. Problematisch sei zudem weniger die operative Ebene als die Verwaltungsleitung. Nur wenn diese das Anliegen unterstütze, benachteiligten Kindern und Jugendlichen nachhaltig Unterstützung zuteilwerden zu lassen, um ihnen Chancengerechtigkeit zu ermöglichen, könne dies auch sinnvoll in Regelstrukturen übersetzt umgesetzt werden. Insgesamt förderten qualitativ hochwertige Prozesse die Nachhaltigkeit von Präventionsketten mehr als die Aufbauorganisation. Anstatt gesetzliche Kooperationsverpflichtungen zu schaffen, seien Kooperationshemmnisse zu beseitigen. Thematisiert wurde schließlich die Erreichbarkeit von Eltern und Familien. Dafür seien bestehende Strukturen und Kontaktmöglichkeiten – sei es in der Schule, sei es im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen – zu nutzen. Angebote müssten möglichst offen ausgestaltet werden, damit sie ohne Angst und Scham in Anspruch genommen werden. Zugleich dürfe der Sozialstaat nicht paternalistisch agieren, sondern es müsse akzeptiert werden, wenn Eltern bestimmte Leistungen nicht nutzen wollen.
Der Workshop lieferte viele Anregungen und warf zugleich weitere offene Fragen im Hinblick auf die administrative Verankerung von Präventionsketten auf. Liegt der Fokus im Ausgleich von Ungleichheiten oder setzt sich auch hier das Leitbild des aktivierenden Sozialstaats durch, der vor allem die Bildungskarriere und die spätere Beschäftigungsfähigkeit als Ziel verfolgt? Und wie können Blockaden der rechtskreisübergreifenden Kooperation beseitigt werden, die nicht zuletzt auch Fragen von Macht und Einfluss, Motivation und Ressourcen beinhalten? Diesen Fragen nachzugehen, wird weiter Aufgabe des Projekts sein.
2. Workshop zur nachhaltigen Verankerung kommunaler Präventionsketten am 4. Juli 2022 in Speyer, gefördert durch die Auridis Stiftung.
Unter wissenschaftlicher Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Janda und Frau Christina Wieda fand am 4. Juli 2022 auf dem Campus der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer ein zweiter Workshop statt. Dieser hatte das Ziel, Ideen und Konzepte zu entwickeln, um die Nachhaltigkeit von kommunalen Präventionsketten zu erreichen.
Bei strahlendem Sonnenschein und herrlichem Blick auf den grünen Garten der DUV Speyer verbreitete sich in der Aula gute Laune. Dort fand der zweite Workshop zur nachhaltigen Verankerung kommunaler Präventionsketten mit regen Diskussionen, vielen Ideen und lebendigen Beispielen aus der Praxis statt. Geladen waren Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und sonstigen Einrichtungen wie zum Beispiel dem Jobcenter oder dem Jugendamt, welche die Perspektive aus Sicht der Leistungserbringung veranschaulicht haben.
Die Veranstaltung startete mit einer Begrüßung von Frau Univ.-Prof. Dr. Constanze Janda und Herr Markus Büchel, dem zuständigen Projektmanager der Auridis Stiftung. Nach einer anschließenden Vorstellungsrunde aller Teilnehmenden erläuterte Frau Prof. Janda den gesetzlichen Rahmen, der für die Chancengleichheit und ein gelingendes Aufwachsen von Kindern ausschlaggebend sei. Es wurde der Begriff der „Präventionskette“ definiert und die Notwendigkeit einer rechtskreisübergreifenden Arbeit sowie einer gesetzlichen Verankerung von Kooperationsgeboten herausgearbeitet.
Nach dem Auftakt ging es mit einem Vortrag von Herr Dr. Matthias Schulze-Böing weiter, der die Möglichkeiten und Grenzen der Fortentwicklung einer rechtskreisübergreifenden Kooperation beleuchtete. Dabei standen zwei wichtige Aspekte im Mittelpunkt: Zum einen wurde die Überzeugung und Unterstützung durch die Leitungsebene und das Etablieren einer entsprechend zugewandten Haltung zur Präventionsarbeit unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgezeigt. Diese sei für den Erfolg der Präventionsarbeit maßgebend. Zum anderen betonte der Referent, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in einer Präventionskette – etwa von der Kita in die Schule oder von der Schule in den Beruf – besondere Aufmerksamkeit finden sollen, da hier besonders häufig Schnittstellenprobleme auftreten.
In der im Anschluss daran stattfindenden Gruppenarbeit wurde über die Probleme, Hindernisse und Konsequenzen einer rechtskreisübergreifenden gesetzlichen Kooperationspflicht diskutiert. Die Vorschläge waren tiefgreifend und vielseitig. Es wurden einige Themen und Beispiele aus der Praxis angesprochen, die im vorangegangenen Workshop mit den Kommunen und Ländern noch nicht thematisiert worden waren. Beispielsweise wurde betont, dass die Leistungserbringer in Konkurrenz zueinander stehen und von gegenseitigen Projekten nichts ahnen. Dabei setzen sie ohne ihr Wissen teilweise ähnliche Programme um. Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten wurden im großen Kreis präsentiert und ausführlich in der Runde alle TeilnehmerInnen diskutiert.
Am Ende der Veranstaltung kam die Frage auf, wie der ausgearbeitete Lösungsansatz zur nachhaltigen Verankerung kommunaler Präventionsketten konkret aussehen soll. Hierzu forscht Christina Wieda als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen ihrer Promotion. Die Idee einer Präventionsagentur, die auf Bundesebene geregelt ist und eine Kontrollinstanz bildet, wobei der Kommune die Verantwortung und Handlungsspielraum verbleibt, wurde ausführlich vorgestellt und fand generelle Zustimmung.
Als Ergebnis eines interessanten und ideenreichen Tages wird festgehalten, dass wir unserem Ziel, Bewusstsein für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Verankerung der Präventionskette zu wecken und einen Gesetzgebungsprozess anzustoßen, einen Schritt näher gekommen sind. Die Veranstaltungsreihe wird im Oktober 2022 mit einem Workshop aus Sicht der Wissenschaft fortgesetzt.
1. Workshop zur nachhaltigen Verankerung von kommunalen Präventionsketten am 2. Mai 2022 in Speyer, gefördert durch die Auridis Stiftung
Unter der wissenschaftlichen Leitung von Frau Prof. Janda und Frau Christina Wieda fand am 2. Mai 2022 gefördert durch die Auridis Stiftung auf dem Campus in Speyer ein Workshop statt, der es zum Ziel hatte, Ideen und ein Konzept zu entwickeln, um eine nachhaltige Verankerung von kommunalen Präventionsketten zu erreichen.
Was sind Präventionsketten? Diese Frage muss immer wieder neu beantwortet werden. Im weiteren Sinne sind damit die vorbeugenden Maßnahmen gegen Kinderarmut gemeint. Die „Kette“ bezieht sich auf die unterschiedlichen Phasen in der Entwicklung eines Kindes, beginnend mit der Schwangerschaft bis hin zum Erwachsensein. Angestrebt ist somit, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen beim Aufwachsen haben. Auch nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit dem Thema werden Präventionsketten immer wieder etwas unterschiedlich definiert, da der Fokus bei unterschiedlichen Akteuren anders liegt.
Somit wurde auch bei dem Workshop, bei dem verschiedene Vertreter aus der kommunalen Ebene geladen waren, über die teilweise nicht mehr passende Begrifflichkeit und die unterschiedliche Auffassung und die zahlreichen Hindernisse bezüglich der Umsetzung in den Kommunen diskutiert.
Nach der Begrüßung hat Univ.-Prof. Dr. Janda direkt den Einstieg in die Gesetzgebung in Deutschland unternommen, indem sie die grundgesetzlichen Schutz- und Förderpflichten zur Herstellung von Chancengleichheit erörtert hat. Der Gleichheitssatz verlange, „Ungleiches ungleichem zu behandeln“; nur so wird soziale Gerechtigkeit erreicht. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Kind in sein Schicksal „hineingeboren“ wird und dem Staat eine Bewirtschaftung seines Potenzials nicht möglich sei, scheint dazu im Widerspruch zu stehen.
Wer sich mit dem Thema Präventionsketten auseinandersetzt, kommt an den Namen Gerda Holz und Annette Berg nicht vorbei. Beide waren in Speyer vor Ort und haben den Auftakt mit einem eigenen Einführungsvortrag aus der Praxissicht gegeben. Anhand von funktionierenden realen Beispielen wurde deutlich dargelegt, wo die Problematik liegt und wo der Fokus sein sollte.
Anschließend an eine Diskussion in der großen Runde wurden bei einem „World Café“ Ideen und Möglichkeiten erarbeitet, wie Präventionsketten nachhaltig verankert werden können. Dabei sind drei Arbeitsgruppen von Tisch zu Tisch gewandert und haben sich im Wechsel mit verschiedenen Kernfragen beschäftigt – von der Frage nach der richtigen Regelungsebene für ein Kooperationsgebot bis hin zur Schaffung eines (rechtspolitischen) Bewusstseins für die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeitsgruppen waren keine Überraschung. Trotz der offenen Herangehensweise wurde festgestellt, dass auch im Hinblick auf die Präventionsketten die Arbeit in der Kommune nur dann erfolgreich funktioniert, wenn die Leitung dahinter steht. Außerdem rückte in der Diskussion immer wieder die Finanzierung in den Vordergrund, die entweder zur Verstetigung der Ergebnisse nicht ausreichend ist oder durch Projektfinanzierung zu Brüchen und zum Verlust von Wissen und Fähigkeiten führt.
Doch eine Einsicht ist einstimmig von allen Teilnehmenden geteilt worden: in vielen Fällen würde die Präventionsarbeit durchaus deutlich weiter fortschreiten, wenn Vorhandenes optimal gestaltet werden würde. Ein Ansatz, der sofort Umsetzung finden kann, ohne dass jegliche Änderungen von der politischen Seite aus erfolgt sein müssten.
Ein nächster Workshop, der die Perspektive aus der Sicht der Leistungserbringung beleuchtet, findet am 4. Juli 2022 in Präsenz in Speyer statt. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse, die in die Konzeption und Durchführung der noch folgenden Workshops einfließen.